Architektur, Figurenprogramm und Inschriften des um 1100 entstandenen Gozbert-Rauchfaßes verkünden eine komplexe heilsgeschichtliche Botschaft.
Ein Rauchfass ist ein Gefäß, in dem Weihrauchkörner auf glühende Holzkohle gestreut werden. Der Weihrauch verbreitet bei Prozessionen und bei liturgischen Handlungen Wohlgeruch. Der Rauch wird durch das Schwenken des Gefäßes verbreitet, das aus diesem Grund mit zahlreichen Öffnungen versehen ist. Für das Schwenken ist eine Kette erforderlich.
Das nur 21,5 cm hohe Goszbert-Rauchfass dürfte um 1100 in Trier entstanden sein und gilt als eines der bedeutendsten Werke des künstlerischen Bronzegusses im Rheinland.
Über einem Fuß mit einer Inschriftenleiste erhebt sich ein Untergeschoss, in dem vier Atlanten, antike Trägerfiguren, zu erkennen sind. Darüber beginnt das Rauchfass, das in Form eines kreuzförmigen Zentralbaus mit vier Apsiden gestaltet ist. An den vier Seiten sind Halbfiguren von Moses mit Stab, Aaron mit Rauchfass sowie der beiden Propheten Jesaja und Jeremia zu erkennen.
Von Inschriftenbändern abgetrennt erhebt sich das obere Geschoss des Kirchengebäudes, das dann von einem reich gestalteten Giebel- und Dachbereich bekrönt wird: Über den vier alttestamentlichen Gestalten, die die Ecken des Gebäudes tragen, erheben sich vier Türmchen. Dazwischen befinden sich die Giebel der vier Seiten der Kirche, auf denen vollplastisch gearbeitete Figuren stehen: Abel mit einem Lamm, Melchisedech mit Brot und Kelch, Abraham, der seinen Sohn opfern möchte, und Issak, der Jakob statt Esau segnet. Bekrönt wird das Rauchfass von einem Thron Salomons, auf dem der König mit Lilienkrone, Szepter und Reichsapfel sitzt. Um den Thron herum sitzen 14 kleine Löwen.
Zu dem Rauchfass gehören zudem vier Trageketten und eine Zugkette, die an einem Kettenhalter befestigt sind. An diesem zeigen vier Rundmedaillons die Apostel Petrus, Paulus, Jakobus und Johannes. Dazwischen sind vier Drachen angebracht, und die Mitte bildet eine Darstellung des thronenden Christus.
Das Goszbert-Rauchfass verbildlicht mit seiner Architektur und seinen Figuren ein komplexes heilsgeschichtliches Programm, das durch zahlreiche lateinischen Inschriften erläutert wird. Danach ist das ursprünglich vergoldete Rauchfass als Darstellung des himmlischen Jerusalem zu deuten.
Es wurde als Kirchengebäude gestaltet, das die perfekte Zahl von 100 Fenstern aufweist. Der thronende Salomon mit seinen Löwen, welche die Propheten des Alten Testaments repräsentieren, verweist auf den thronenden Christus des Neuen Testaments. Die zweimal vier Figuren des Rauchfasses erinnern an Personen aus dem Alten Testament, die auf das Meßopfer des neuen Bundes hinweisen.
Der Bronzegießer hat sich mit einer Inschrift verewigt, die den Betrachter bzw. Leser auffordert, für ihn zu beten: Am unteren Rand des Fußes steht: ‚Du, der Du dies siehst, wer Du auch seist, bete, dass Gozbertus lebe!’. Für welche Kirche sein großartiges Rauchfass hergestellt wurde, ist unbekannt. Es wurde 1846 in der Pfarrkirche in Buchholz bei Manderscheid entdeckt.
Autor: Prof. Dr. Wolfgang Schmid